Du dachtest, auf dem Bauernhof gibt’s nur Kühe, Karotten und Kompost? Nicht ganz! In einer Zeit, in der alle von „sozial-ökologischer Transformation“ sprechen, liefern Bio-Betriebe mit sozialer Landwirtschaft die Praxisversion dazu – auf dem Acker, im Stall und im Alltag. Dort wo Möhren ziehen nicht nur Bio, sondern auch sozial ist. Nachhaltigkeit zum Anfassen und ein verdammt guter Weg, Wirtschaft neu, gerecht und zukunftsfähig zu denken. Eine echte Win-Win-Diversifikation für alle.
So sieht soziale Landwirtschaft aus
Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf wie bspw. Menschen mit Behinderungen, Senior:innen mit Demenz, benachteiligte Jugendliche oder Langzeitarbeitslose werden aktiv in den Hofalltag eingebunden. Die soziale Landwirtschaft bringt allen Seiten etwas: Menschen finden Sinn, Struktur und soziale Teilhabe und die Betriebe gewinnen neue Perspektiven, Arbeitskraft, Förderung und oft sogar neue Geschäftszweige.
Bio-Höfe sind per se vielfältiger: Sie arbeiten mit Fruchtfolgen, Mischkulturen, Tierhaltung, Vermarktung, Hofcafés – da ist ordentlich was los. Und genau diese Vielfalt an Aufgaben bietet viele sinnvolle Tätigkeiten für unterschiedlichste Zielgruppen.
Wichtig ist: Nicht jede Arbeit passt zu jedem Menschen. Es geht nicht darum, irgendwen irgendwo zu „beschäftigen“, sondern darum, Tätigkeiten zu finden, die Freude machen, stärken und wachsen lassen. Dann entsteht echte Teilhabe – und das Hofleben wird bereichert, nicht belastet.
Soziale Landwirtschaft zeigt: Zukunft geht auch anders. Langsamer. Sinnvoller. Miteinander.
Von Auszeithof bis Bauernhof-Kita: So bunt ist soziale Landwirtschaft
Viele Höfe bieten heute Tages- oder Langzeitangebote angepasst an ganz unterschiedliche Lebensrealitäten: Jugendliche in Krisensituationen, Menschen mit psychischen Erkrankungen, Senior:innen mit Demenz, Pflegebedürftige oder Pflegekinder.
Ein besonders charmantes Modell sind sogenannte Auszeithöfe: Sie bieten Menschen in belastenden Lebensphasen einen Ort zum Durchatmen – mit der Natur als Ruhepol und Strukturgeber.
Andere Höfe bauen ehemalige Stallungen zu barrierefreien Wohnungen um – oft für ältere Menschen, die sich ein selbstbestimmtes Leben auf dem Land wünschen. Oder sie öffnen ihre Familie und bieten Kindern aus schwierigen Verhältnissen ein neues Zuhause mit Ziegen, Zuwendung und Zuneigung.
Co-Therapeuten mit Schnauze: Warum Tiere mehr können als manche Coaches
Die sogenannte Biophilie-Hypothese besagt, dass Menschen ein angeborenes Bedürfnis haben, mit Natur und anderen Lebensformen verbunden zu sein. Klingt erstmal nach esoterischem Kram – ist aber wissenschaftlich belegt. Und genau das macht Bauernhöfe zu idealen Orten für Therapien und Heilung. Tiere urteilen nicht, Tiere hören zu – und manchmal reicht das völlig aus, um einen Schritt nach vorne zu machen. Kein Wunder also, dass soziale Landwirtschaft auch tiergestützte Therapie, Pflegeangebote oder betreutes Wohnen umfasst.
Ein Triple Win im Nachhaltigkeitsdreieck
Soziale Landwirtschaft ist kein Feel-Good-Zusatz, sie ist gelebte Nachhaltigkeit – auch im Sinne des Dreiklangs der Nachhaltigkeit aus Ökologie, Ökonomie und Soziale:
-
Ökologisch: Weil sie naturnah, tiergerecht und ressourcenschonend wirtschaftet.
-
Sozial: Weil sie Menschen einbindet, stärkt und ihnen neue Perspektiven bietet.
-
Ökonomisch: Weil sie neue Einkommensquellen schafft und Betriebe resilienter macht.
Vom Acker ins Klassenzimmer – oder umgekehrt
Ein Paradebeispiel für diese sozial-ökologische Landwirtschaft ist der Bio Berghof Tübingen. Hier wird nicht nur nach Bioland-Richtlinien gewirtschaftet, sondern auch echte soziale Landwirtschaft gelebt. Menschen mit Unterstützungsbedarf finden auf dem Hof sinnstiftende Tätigkeiten und echte Teilhabe – nicht als Alibi, sondern als Herzstück des Betriebsmodells.
Und weil Bildung bekanntlich auf dem Feld genauso gut gedeiht wie Salatköpfe, betreibt der Berghof auch einen eigenen hofpädagogischen Bereich – in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesarbeitsgemeinschaft „Lernort Bauernhof“ (BAGLoB). Unter dem Motto „Ökolandbau erleben und begreifen“ wird der Hof zum Klassenzimmer mit Kuhblick: Kinder und Jugendliche lernen mit allen Sinnen, woher ihr Essen kommt, was Nachhaltigkeit bedeutet und warum Bio mehr ist als nur ein Siegel.
Das zeigt, wie man Bildung, Umweltbewusstsein und soziale Verantwortung auf einem Hof zusammenbringt. Und das ganz ohne erhobenen Zeigefinger – dafür mit Gummistiefeln, Streichelziegen und einer ordentlichen Portion Aha-Erlebnisse. Mehr zum Projekt
Alles aber kein Hippie-Projekt
Historisch gesehen hat soziale Landwirtschaft tiefe Wurzeln – man denke an Klosterhöfe, die schon im Mittelalter für Bedürftige gesorgt haben. Heute erlebt das Konzept ein Comeback mit Eco-Touch: Bspw. in Form von Tiergestützte Therapie die auf den Biolandbau trifft. Kinder lernen im Hofkindergarten mehr übers Leben als in jedem Lehrbuch. Und Menschen mit Assistenzbedarf erleben echte Teilhabe statt Beschäftigungstherapie.
EU sagt: Innovation pur!
Die EU-Fokusgruppe für soziale Landwirtschaft ist begeistert. Warum? Weil diese Art von Landwirtschaft gleich mehrere Fliegen mit einer Bioklatsche schlägt:
-
Sozial: Menschen werden eingebunden, nicht ausgegrenzt.
-
Wirtschaftlich: Neue Geschäftsmodelle machen Höfe krisenfester.
-
Gesellschaftlich: Ländlicher Raum wird zum echten Lebensraum.
Bio-Höfe als Orte des Wandels
Das alles zeigt uns: Soziale Landwirtschaft ist viel mehr als ein Nebenschauplatz. Sie ist ein lebensnaher, machbarer Beitrag zu einer gerechteren, nachhaltigeren Gesellschaft. Mit Erde unter den Fingernägeln und Hoffnung im Herzen.
Ob als Lernort, als Wohnprojekt, als Therapieraum oder einfach als Platz zum Menschsein – Biohöfe mit sozialem Anspruch sind Zukunftsmotoren. Und sie zeigen:
Wer Vielfalt sät, wird Zukunft ernten.
Also… warum noch zögern? Wenn du jetzt denkst: „Klingt gut, aber ist das nicht mega aufwendig?“ – Klar, es braucht ein bisschen Planung, Kooperation mit Sozialträgern und den ein oder anderen Workshop. Aber du bekommst eine Menge zurück: Sinnvolle Arbeit. Neue Perspektiven. Ein Hof, der nicht nur lebt, sondern auch liebt.
___________________________
zum weiterlesen / Quellen:
Ökolandbau: Soziale Landwirtschaft als Option für den Bio-Betrieb
EU Cap Network: Focus Group – Social farming and innovations
van Elsen, T. (2022):Errichtung eines ökologischen Landwirtschaftsbetriebes als Eigenbetrieb in der Justizvollzugsanstalt Torgau. – Konzept im Auftrag des Freistaates Sachsen, 104 S.
Universität Kassel: Soziale Landwirtschaft
Bioland: Soziale Landwirtschaft
____________________
Text: Darina Fudulov, Bioland e.V.
Bild: Canva