Lebensmittel retten, Bio feiern und die Zukunft sichern? Easy – sagt Raphael Fellmer, Lebensmittel-Retter, Foodsharing-Pionier und CEO von SIRPLUS. Zero Waste und Bio-Landwirtschaft sind das perfekte Duo für eine nachhaltige Ernährung – warum, erklärt der Retter aus Leidenschaft Raphael in unserem Öko-Fragenhagel. Außerdem spricht er darüber, weshalb unsere Supermarkt-Gewohnheiten dringend ein Upgrade brauchen.
Bioland: Wer bist du und was macht ihr bei Surplus?
Raphael: Ich bin Raphael Fellmer, setze mich seit 2009 für eine Welt ein, in der alle Menschen genügend zu essen haben. Erst mit fünf Jahren Geldstreik, Aufbau von Foodsharing und dann der Gründung von Surplus 2017. Meine Vision ist es, eine Welt zu schaffen, in der alle Menschen genügend zu essen haben. Und in unserem Online-Shop Surplus kann man ganz bequem mitretten und dabei Geld sparen und gleichzeitig die Umwelt schonen.
Bioland: Und warum rettet ihr (Bio-)Lebensmittel?
Raphael: Insgesamt werden in Deutschland 18 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet. Das ist eine LKW-Ladung voller Lebensmittel pro Minute, definitiv zu viel. Die Hälfte davon wird zu Hause verschwendet und die andere Hälfte entlang der Wertschöpfungskette. Und alles, was die Tafeln nicht retten können oder wollen aus verschiedenen Gründen, da ergänzen wir. Und zwar im großen Stil von den Produzenten, Herstellern retten wir deren überschüssige Lebensmittel. Aufgrund von saisonaler Ware, Fehlern in der Produktion, aber die Lebensmittel sind noch bestens genießbarer. Oder natürlich auch dem berühmten Mindesthaltbarkeitsdatum, was einfach manchmal zu knapp ist für die Supermärkte oder sogar manchmal abgelaufen ist und wir verkaufen es vergünstigt im Schnitt für 40 Prozent bei Online im Surplus-Shop weiter.
Mit Bio-Landwirtschaft und Zero Waste werden alle satt!
Bioland: Welche gesellschaftliche Bedeutung hat das retten von Lebensmittel im Zusammenhang mit dem ökologischen Landbau?
Raphael: Das Ziel der Vereinten Nationen ist es, bis 2030 eine Welt zu gestalten, in der alle Menschen satt werden. Also Zero Hunger, SDG 2. Und es hängt auch ganz stark damit zusammen, dass wir das schaffen können mit ökologischem Landbau. Das heißt, viele Leute glauben nicht daran, dass unsere Erde genügend Lebensmittel zur Verfügung stellt, wenn wir keine Chemie, Pestizide auf den Acker spritzen. Aber das ist möglich, deswegen glaube ich ganz fest daran. Ja, wir können alle Menschen satt werden lassen mit einer Biolandwirtschaft. Deswegen danke dir für deinen Einsatz für eine Welt mit Zero Hunger und zwar mit ganz viel Bio-Betrieben und ganz viel Bio-Lebensmitteln, die wir genießen. Das ist besser für uns, für die Erde und für die Tiere.
Bioland: Was konkret macht der Ökolandbau, um Natur- und Ressourcenschutz sowie Tierwohl und die Umwelt zu stärken und was kann man selbst zuhause machen?
Raphael: Grundsätzlich ist natürlich Bio schon mal sehr viel schöner, da Pestizide und Herbizide nicht so leicht in meinen Körper gelangen. Die können manchmal immer noch rüber geweht werden oder du kannst auch im Supermarkt mit denen in Kontakt kommen. Aber normalerweise ist es so, dass Bio-Lebensmittel einfach viel gesünder sind für den Körper, auch für unser Ökosystem. Das heißt, ich bin ein ganz großer Fan von Bio-Lebensmitteln, versuche das da, wo es möglich ist, auch in mein Leben zu integrieren.
Und dieser Irrglaube, dass Lebensmittel für alle auf der Welt nur mit konventionellen Lebensmitteln hergestellt werden können, weil sonst die Landwirtschaft nicht genügend Ertrag hat, das ist ein Trugschluss. Wir sollten alle versuchen, weniger tierische Lebensmittel zu konsumieren, mehr pflanzliche Lebensmittel und so viel Bio, wie es geht. Damit bekommen wir auch alle Menschen satt.

Bioland: Was tut denn der Ökolandbau?
Der Ökolandbau tut natürlich sehr viel dafür. Zum einen geht es darum, dass die Menschen, die im Ökolandbau aktiv sind, eine größere Lebensmittelwertschätzung haben. Das heißt, Naturschutz steht ganz oben, das Tierwohl wird höher gelebt oder die Ställe sind größer.
Ich persönlich ernähre mich vegan, das heißt, ich glaube, man kann auch noch einen Schritt weiter gehen. Aber definitiv ist egal, welches Bio-Siegel, und dafür gibt es ja das europäische Bio-Siegel, was so aussieht mit diesen Sternchen, hier sieht man es, ist schon mal ein sehr guter Schritt in die richtige Richtung, nämlich unsere Natur, unser Ökosystem zu schonen und damit weniger die Erde zu degradieren. Bei der konventionellen Landwirtschaft wird einfach unglaublich viel von dem Humus abgenommen, ganz schnell verbraucht. Und dadurch haben wir irgendwann in der Zukunft ein großes Problem, weil wir nicht mehr genügend gesunden Humus haben. Die Bio-Landwirtschaft wirkt da entgegen, weil sie mehr im Einklang mit der Natur agiert und wirtschaftet.
Bioland: Das heißt, ist für dich 100% Biolandwirtschaft möglich?
Ich bin 100% davon überzeugt, dass ja, wir können eine Welt mit 100% Bio-Landwirtschaft gestalten und trotzdem genügend Lebensmittel für alle produzieren. Und vielleicht sogar langfristig, gerade weil es Bio ist. Denn die konventionelle Landwirtschaft kann zwar in wenigen Jahren sehr viel mehr Ertrag aus dem Boden rausholen, dadurch schrumpft aber die Humusschicht. Und dadurch wird es auf lange Sicht nicht nur, dass man weniger hat, sondern man verbaut sich die Zukunft und wir brauchen die Erde, wir brauchen den Humus. Und deswegen sollten wir so schnell wie möglich auf Bio-Lebensmittel, auf eine Bio-Landwirtschaft setzen.
Bioland: Was bedeutet für dich ökologische Saisonalität & Regionalität?
Ich bin ein großer Fan davon, sich zu verbinden mit den Lebensmitteln, also eine echte Lebensmittel-Wertschätzung. Denn das Wort Lebensmittel bedeutet Mittel zum Leben.
Und das heißt, je regionaler, je saisonaler und umso mehr ich auch eine Verbindung habe zu den Bäuer*innen und den Landwirtin*innen, die die Lebensmittel hergestellt haben und desto weniger wird verschwendet. So macht es auch mehr Freude, die Lebensmittel zu konsumieren, weil ich weiß, woher sie kommen und ich eine Verbundenheit habe. Und weil wir gerade, ich bin jetzt 42 Jahre fast am Start … auf der Erde und ich bin eine Supermarkt-Generation. Das heißt, ich habe fast immer nur alles aus dem Supermarkt genommen und weiß gar nicht, wie viel Arbeit, Energie, Zeit, und Wasser in die Lebensmittel geflossen sind, bevor sie überhaupt in Supermarkt gelangen.
Verbundenheit zur Landwirtschaft macht Essen wertvoller und Bio ist dabei das A und O. Wer weiß, woher sein Essen kommt, konsumiert bewusster und wertschätzt die Menschen, die es anbauen. Deshalb: Mehr Bio, mehr regional, mehr saisonal – und mehr gerettete Lebensmittel auf den Teller! Das tut der Erde gut, dem Gewissen und fühlt sie einfach besser an … und ist natürlich gesünder.
Fazit: Es ist Zeit, Essen wieder wertzuschätzen und das vom Acker bis auf den Teller!
18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll sind zu viel. Da hilft Lebensmittelrettung und ökologische Produkte zu sich nehmen. Das spart nicht nur (langfristig) umweltfreundliche Ressourcen, sondern auch deinem Geldbeutel wird es gefalle. Außerdem sorgt es dafür, dass Essen nicht in der Tonne, sondern auf dem Teller landet. Und was hat der Öko-Landbau damit zu tun? Einiges! Die Bio-Landwirtschaft baut Humus auf, schützt das Klima und sichert langfristig unsere Ernährung. Ohne den Bio-Anbau wäre unser Boden irgendwann ausgelaugt. Also Chemie raus, Nachhaltigkeit rein! – ganz ohne Pestizid-Cocktail und aus deiner Nachbarschaft!
Und jetzt? Zeit für ein Umdenken! Wer weiß, wo sein Essen herkommt, schmeißt es nicht einfach weg. Regional, saisonal, gerettet – so sieht die Zukunft aus!
Wie und warum 100% Bio möglich ist, kannst du hier nachlesen.
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Foto: ©Sonja Herpig für Bioland e.V.
Interview geführt von: Verena Kindinger, Bioland e.V.
Beitrag erstellt von: Darina Fudulov, Bioland e.V.